Dienstag, 17. März 2015

Die Haarnadel




Die Haarnadel lag sehr viele Tage und sehr viele Nächte unter meinem Bett. Jedes Mal, wenn die Katze sie nachts über den Boden kratzen lies und sich in ihr Spiel hineinsteigerte, nahm ich mir vor sie hervor zu holen und in mein Haar zu klemmen oder jedenfalls dahin zu legen, wo sie keine Geräusche machte.
Nach einer fürchterlichen Nacht war es so weit: ich legte mich am Morgen auf den Bauch und sah sie sofort. Weiterhin fand ich: ein Taschentuch, mehrere Haargummis, ein Shirt, was ich schon lange vermisste und dessen Verschwinden ich mir lange nicht erklären konnte und wegen dem ich schon zwei Mal meinen Schrank ausgeräumt hatte, einen Bleistift mit abgebrochener Miene, ein altes Bonbon (grün) und das Foto.
Ich hatte es lange nicht gesehen, wusste aber sofort was auf der Rückseite stand:
I have eaten
the plums
that were in
the icebox

and which
you were probably
saving
for breakfast

Forgive me
they were delicious
so sweet
and so cold.


 (Gedicht "This is just to say" von William Carlos Williams)

Mittwoch, 11. März 2015

Synchronizität (2)



Gesendet: Freitag, 15. August 2014 um 12:38 Uhr Von: "Katharina Schwanbeck" > An: ---------Betreff:
..nachts
Letzte Nacht habe ich von Dir geträumt: Wir haben uns zufällig im Tiergarten getroffen, es hat gedämmert und ich habe dich an die Hand genommen und dich mit zu einem Bauwagen im Park genommen. Der Bauwagen war wunderschön und hell erleuchtet mit ganz vielen kleinen Lampen. In diesem Bauwagen saß an einem runden Tisch eine chinesische Wahrsagerin. Sie sah auch sehr schön und klar aus. Als du an der Reihe warst, warst du nicht mehr da.. dein Platz war leer und ich wusste, dass Du weg gelaufen warst... Die chinesische Wahrsagerin hat dann zu mir gesagt, dass sie nichts genaueres bei dir sehen konnte, außer dass der Name "Jennifer" über deinem Kopf hing.  Küsschen von K
 -- Diese Nachricht wurde von meinem Android Mobiltelefon mit GMX Mail gesendet.


 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

oh wie schön ...
dein Traum hat auch gleich zwei bemerkenswerte Elemente. Zum einen bin ich gestern nach 5 langen und erschöpfenden, aber auch spannenden und intensiven Wochen nach Hause gekommen. Sicher war ich in der Nacht in Gedanken oder Träumen bereits auf dem Weg nach Berlin. Zum anderen #Jennifer#. Hm ... das Wort ist mir tatsächlich in den letzten Wochen oft über die Lippen gekommen. Aber eben das Wort, nicht der Name. Ich war in der Türkei mit einem Wiener Kamerateam unterwegs, was meiner Vorliebe für die bezaubernden Redewendungen der Wiener natürlich gut gefallen hat. So auch zu dem wiener Spezialitäts-Synomym für schnell, fix oder rasch oder dallidalli. Der gemeine Wiener sagt: "Jennifer!" bzw. "... aber Jennifer!" Und wo kommts her? Von Jennifer Rush! Ach ... sind sie nicht herrlich spinnert die guten Wiener? Und jetzt weißt du was das blinkende Jennifer über meinem Kopf zu bedeuten hat. aber woher weiß das dein Traum? ...


Küsse

t


übrigens ...mein zweites neues wiener Lieblingswort ist Dampfplauderer.
Auch hübsch oder?!

Mobiltelefon mit GMX Mail gesendet.

Dienstag, 3. März 2015

Der Spiegel


Ich war etwa sechs oder sieben Jahre alt. Ich ging durch unseren Flur. Es war Mittag, es war Sommer. Ich war allein zu Haus.
Am Ende des Flurs gab es eine drei stufige Treppe die in einen kleineren Flur führte. An der Wand des kleineren Flurs hing ein Spiegel in einem eckigen Holzrahmen. Man konnte sich darin ansehen, wenn man die Treppe hinunter lief.
An diesem Mittag ging ich also den Flur entlang. Ich lief aber nicht, wie sonst, die Treppen hinunter, sondern blieb auf der zweiten Stufe der Treppe stehen. Ich sah mich sehr lange im Spiegel an. Ich betrachtete ausführlich mein Gesicht und sah in meine Augen. In meiner Erinnerung ist das der Moment gewesen, in dem ich zum ersten Mal einen Begriff von „Das bin ich“ hatte. Und dass ich sterblich war. So wie meine Mutter und mein Vater und mein Bruder sterblich waren.
Dieses Gefühl, was ich dabei hatte ist bis heute in meinem Körper, wenn ich daran denke: es ist eine Angst, die bodenlos ist. Ein freier Fall.