Samstag, 5. September 2015

Spiegel im Spiegel


Spiegel im Spiegel
(für Max)

Du siehst in das Gesicht eines Menschen, etwas flammt auf, eine Art Wiedererkennen.
Du siehst in seine Augen wie in einen Spiegel, sie reflektieren das Schönste. Das Schreckliche, wovor du dich immer gefürchtet hast.
Etwas in dir beginnt zu glühen, langsam aber stetig. In deinem Inneren.
Es ist warm. Du fürchtest dich nicht.
Er sieht in deine Augen. Er nennt deinen Namen.
Du siehst: das olivgrün seiner Iris, seinen roten großen lachenden Mund, den leicht hervorstehenden Zahn neben seinem rechten Schneidezahn.
Spiegelverkehrt.
Ihr beginnt euch zu umkreisen, sehr vorsichtig und tastend, nie lasst ihr euch dabei aus den Augen, immer gibt es einen Blick, auch wenn er im Boot hinter dir sitzt und du nur noch das Eintauchen des Paddels hörst.
Das kurze Zurückschauen, das Sich- vergewissern, das Unsichere, das aus der Angst entsteht nicht mehr gesehen zu werden.
Mit dem Blick holst du dich zurück. Du fängst etwas auf. Du nimmst etwas auf, du reflektierst sein Licht, er reflektiert dein Licht.
Am Bug des Bootes ein unsichtbarer Vogel. Ein Schatten, der vorbeifliegt. Sich setzt. Atmet.
Ein Gesicht, das sich stetig wandelt. Ein Mann und  eine Frau. Der kleine Junge mit der gekräuselten Nase, wenn er schallend lacht. Ein alter Mann. Auch ein Mädchen, welches sich schüchtern unter dir bewegt. Welches dich ansieht aus großen, fragenden Augen.
Ein Kuss so sanft wie nur was!
Schweigen.
Wenn du in den Spiegel schaust ist dir, als hätten Salzkristalle die Farbe deiner Iris heller gewaschen. Als hätte sich reine Kreide über die Farben gelegt.
Du siehst ihn an und siehst etwas in dir, was verborgen war. Schlafend.
Den Spiegel im Spiegel.

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