Mittwoch, 30. Dezember 2015

gehen.



Ich ging mit dir durch einen Wald. Nein, es war nicht irgendein Wald. Es war der Wald,
durch den wir immer gehen, wenn ich bei dir bin. Es ist ein Knorpelkiefernwald. Die
Bäume sind windschief, denn nicht weit davon ist das salzige Meer. Wenn ich bei dir bin
möchte ich immer den gleichen Weg mit dir gehen. Entlang des kleinen Flusslaufs, der
im Winter zugefroren ist und in heißen Sommern kaum Wasser trägt.
Wir gingen also diesen Weg entlang, durch den Wald, auf der rechten Seite des
Flusslaufs.
Plötzlich warst du nicht mehr neben mir, sondern auf der anderen Seite des Wassers.
Ich wollte unbedingt zu dir, also überquerte ich den Flusslauf, das Wasser war sehr
niedrig.
Auf der anderen Seite, so bemerkte ich sehr schnell, waren alle Bäume nicht grün. Sie
waren tot und trugen abgestorbene Äste. Ich bekam Angst. Aber du saßest am Fuß eines
solchen Baums und lächeltest mich an. Du hieltest etwas in der Hand: einen Farbkasten
und einen Pinsel. Da sah ich, wie du schon angefangen hattest, die schwarzen Bäume
grün anzumalen.
Ich hatte trotzdem Angst.
Ich sah hinüber zu einem Körper, der leblos auf dem Boden lag. Der Frauenkörper war
mit Blättern bedeckt. Ich rief dir zu, dass wir hier weg müssen, zurück auf die andere
Seite, aber du lächeltest weiter und knietest dich neben diesen Körper und batest mich,
es auch zu tun. Wir fassten die Frau an den Händen und sprachen so etwas wie ein
Gebet. Und in dem Moment, in dem das Wort „Amen“ fiel, öffnete die Frau ihre Augen
und die Bäume wurden grün.
Alles blühte plötzlich um uns herum und ich war ohne Angst. Wir gingen zurück auf die
andere Seite.

Ich liebe es diesen Weg mit dir zusammen zu gehen. In meinem Traum sah es aus wie in
der Wirklichkeit.
Unser Spaziergang dauert fast zwei Stunden, eine Stunde davon laufen wir durch den Wald, bis
man die See riechen kann.
Ich hake mich immer bei dir unter, wir reden über dies und das, manchmal bleibst du
stehen, wenn etwas sehr wichtig ist, was du mir sagen willst. Wir suchen nicht nach
Steinen und nehmen doch immer wieder welche mit nach Hause. Sie liegen im Haus auf
den Fensterbänken, vor dem Ofen, neben dem Bett. In der Zinkwanne vor dem Haus, in
den Beeten mit den Cosmeen und Rosen, zwischen Lavendel und Hortensien.
Dieser Traum den ich vor ein paar Jahren hatte, symbolisiert für mich einen wichtigen
Teil deines und meines Lebens. Ich bin sehr froh und dankbar, dass du dich irgendwann
auf den Weg begeben hast, auch wenn es der schwierigere, längere und dunklere Weg
war.

Im Winter wenn die Äste kahl sind, die Stämme dunkel bis schwarz, dann kann man die
Moosflechten sehen, wie sie sich über die Wurzeln und die Rinde legen.


Die Bäume sind grün. Immer.

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