Samstag, 7. Februar 2015

Synchronizität


Synchronizität





Vor drei Jahren fahre ich mit alten Zügen durch die Ukraine bis nach Odessa. Häufig reise ich mit Nachtzügen, schlafe in alten Waggons. Jeder Waggon hat seinen Zugbegleiter. Dieser brüht Tee im Samowar, verkauft heimlich Bier und weckt morgens die Passagiere. Ich liege zwischen alten Frauen, Hühnern und oft auch betrunkenen Männern.
Ich bleibe vier Tage in Odessa- meine letzte Station auf dieser Reise. Ich laufe und fahre mit der Tram durch die Stadt und übernachte in einem alten Hotel mit langen u- förmigen Fluren. Niemand spricht englisch. Ich spreche weder russisch, geschweige denn ukrainisch. Die Hoteldame ist sehr unfreundlich. An einem Morgen gegen fünf, höre ich kräftiges, schnelles Schlagen gegen meine Tür: drei Männer stehen plötzlich im Raum- sie sagen nichts, sondern holen ein Kinderbett, welches im Nebenzimmer steht, heraus und lassen die Tür wieder laut ins Schloß fallen.
An meinem letzten Abend dann überfällt mich unerwartet eine massive Angst. Ich gehe zurück zum Hotel und denke stundenlang, dass ich krank bin und vielleicht in eines der Krankenhäuser muss und mir dort niemand helfen kann, weil ich nicht verstanden werde. Da ich ukrainische Krankenhäuser fotografiert habe auf meiner Reise, weiß ich, dass es nicht ratsam ist sich dort in irgendeiner Weise aufzuhalten. Die Krankenhäuser wirken wie kurz nach dem Krieg. Ich steigere mich immer weiter in eine Panik. Als es wieder hell wird, schlafe ich endlich ein.

Zeitgleich trifft meine Mutter meinen Vater wieder- in Deutschland, nach dreißig Jahren. Ich weiß davon nichts.
Später, als ich wieder zurück bin, wird sie mir von diesem Treffen erzählen. Sie wird mir erzählen, dass er die ukrainische Staatsbürgerschaft angenommen hat, in Kiew lebt und oft in Odessa ist, weil er dort ein Haus baut. Sie wird mir erzählen, dass er sein Geld damit verdient, gebrauchte medizinische Geräte aus Deutschland einzukaufen. Diese verkauft er dann an ukrainische Krankenhäuser. Er erzählt ihr, dass die medizinische Versorgung nach wie vor schlecht ist. Dass es nicht ratsam ist, sich dort in irgendeiner Weise aufzuhalten.





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